Fritz Kaa
Gepanzerte Meeresritter im Riff-Aquarium

Wenn ich so zurückdenke, dann waren vor 7 Jahren die farbigen rot-weiß-gestreiften Garnelen Lysmata amboinensis (Weißband-Putzergarnelen) damals noch als Hyppolysmata grabhami bezeichnet, mit verantwortlich, daß der Bazillus der Meerwasseraquaristik bei mir übersprang.

Ich war damals so begeistert, als ich in einem Aquariumgeschäft diese farbigen zerbrechlichen Miniaturlobster mit ihren riesigen weißen Antennen sah, daß für mich ein Aquarium ohne Krebse und Garnelen nicht komplett wäre.
Im Laufe der Jahre kamen so manchen Zehnfußkrebse noch hinzu, sodaß ich heute in meinem 650-l-Korallenriff-Aquarium mit Fischen 24 Krebstiere mit Erfolg pflege.

Lysmata amboinensis
(Weißbandputzergarnele)

Wie in den Anfangszeilen bereits erwähnt, sind sie nicht nur äußerst attraktiv sondern als Putzhilfen bei meinen größeren Fischen wie Zebrasoma flavescens (Hawaidoktor) oder Paracanturus hepatus (Palettendoktor) gern gesehene Gesellen.
Man kann sehr gut beobachten, wie in den Abendstunden der Hawaidoktor zu den Putzerstellen schwimmt und durch leichte Schrägstellung andeutet, daß ein Putzen ihm angenehm wäre und schon fuchteln die Amboinensis mit ihren Antennen aufgeregt auf dem Fischkörper herum, klettern auf ihn und fangen an zu putzen.
Beim wöchentlichen Scheiben saubermachen kann ich das gleiche bei mir selbst feststellen. Ohne Scheu kommen die Putzergarnelen auf meinen Handrücken gekrabbelt, zwicken an den Härchen und puhlen an den Fingernägeln herum. Dabei kann man auch verstehen, warum manchmal ein Fisch ganz erschrocken die Flucht ergreift, da sie dies nicht immer zärtlich bewerkstelligen.

Lysmata debelius
(Kardinalsgarnele)

Auch sie zählen zu den Putzergarnelen und sind mit ihrer tiefroten Farbe und ihren weißen Beinen eine der attraktivsten Putzergarnelen. Sie sind aber etwas reservierter und verschaffen sich sofort Respekt am Futterplatz. Ebenfalls wird ihr Revier energisch verteidigt, sind aber sonst ausgesprochen friedlich gegenüber Wirbellosen und kleinen Fischen. Sie sind aber nicht so putzaktiv. Dafür sind sie jedoch ein nicht zu übersehender Farbklecks.

Stenpus hispidus
(Scherengarnele)

Das Pärchen rot-weiß gebänderter Scherengarnelen stellt in meinem Meerwasser-Aquarium die größte Art von Zehnfußkrebsen dar. Sie sind etwas streitsüchtig, aber wenn sie immer gut gefüttert werden, hochinteressante Artgenossen. Ich kann mich noch erinnern als ich vor 6 Jahren mein mittelgroßes Weibchen erwarb und 2-3 Monate später ein junges winziges kleines Männchen folgte. Ob es damals auch wirklich ein männliches Tier war, war ich mir anfänglich nicht 100% sicher. Trotzdem entschied ich mich für ihn, weil er zur kleinen Körpergröße zu groß wirkende Scheren hatte. Aber eins wußte ich genau, wenn er kein Männchen ist, war`s für mein Weibchen ein teurer Futterhappen. Vorsichtig und mit gemischten Gefühlen setzte ich damals den kleinen Krabbler ins Wasser. Noch gar nicht recht am Boden angekommen, stürzte sich bereits mein übermächtig großes Weibchen mit gespreizten Scheren auf den Neuankömmling. Der jedoch suchte keineswegs die Flucht, sondern spreizte in 180 Grad sein Scherenpaar und spiegelbildlich reagierte das Weibchen. Und dann glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Der Winzling fing an wie ein Hampelmann mit rhythmischen Hüpfbewegungen vor meinem Weibchen zu tanzen und zu kokettieren.
Ach war das eine Erleichterung - ich hatte nun ein Pärchen.
Von nun an folgte das Männchen dem Weibchen wie ein Magnet. Konnte man ein Antennenpaar in einer Höhle entdecken so war in Fühlernähe auch der Partner. Und das reizvollste der beiden Unzertrennlichenist ihre Fütterungszeremonie. Bei der Nahrungssuche verhält sich nämlich das Weibchen auffallend inaktiv. Es läßt sich einfach vom Männchen bedienen. Hat das Männchen einen Futterbrocken (meist eine halbe Futtertablette - DuplaRin-Haftys oder eine aufgetaute Sandgarnele) entdeckt, stürzt es unverzüglich mit dem Futter zum Weibchen und füttert es. Dies geht solange bis das Weibchen mit Futter überhäuft ist und dem Männchen den Hinterleib zureckt und ihm damit zu verstehen gibt, daß es jetzt langt. Erst dann denkt auch er beim nächsten Futterbrocken ans Fressen.



Hymenocera elegans
(Blau-orange-weiße Harlekingarnele)

Jetzt kommen wir zu den faszinierendsten Geschöpfen in meinem Meerwasseraquarium. Seit ca einem Jahr besitze ich ein Pärchen blau-orange-weißer Harlekingarnelen.
Wie soll mann sie beschreiben? Am besten sprechen hier die Bilder für sich. Beim ersten Anblick weiß man gar nicht, wo hinten und vorne ist und man bekommt den Eindruck, als hätte man Wesen aus einer anderen Welt vor sich. Den besten Vergleich habe ich bei Helmut Debelius gelesen, er vergleicht sie mit "mittelalterlichen Turnierreitern auf verkleideten Pferden". Und wirklich, ihre bunten federartigen Fühler wirken wie stolze Straußenfedern auf einer Ritterrüstung. Die Verwandtschaft mit alten Raubrittern findet man bestätigt, wenn man ihre Freßgewohnheiten betrachtet. Sie beißen mal von dem einen Arm des Seesterns ein Stück ab und am nächsten Tag kommt ein anderer dran. Ihre Beute wird bei lebendigem Leib stückchenweise und auf Raten verzehrt. Dem Betrachter scheint das schnell ein grausames Freßverhalten zu sein. Aber in der Natur, in der Fressen und Gefressen werden nahe beieinander liegen, ist das ganz normal. Im natürlichen Umfeld heilt der Verlust eines Seesternarmes schnell wieder aus und selbst in meinem Aquarium krabbeln manchmal nur zweiarmige Seesterne herum.
Sie sind absolute Feinschmecker, auf ihrem Speisezettel findet man ausschließlich Seesterne. Die ersten 6 Monate haben sie sich vom kleinen grün-braunen fünfeckigen Burtons Seestern (Asterina burtoni), die sich zu Massen bei mir im Becken vermehren, ernährt. Ich habe sie wahrscheinlich mit Niederen Tieren aus dem Roten Meer eingeschleppt. Heute muß ich schon mal gelegentlich mit anderen Seesternen wie Kometstern (Linokia multivora), knotiger Seestern (Formia nodosa), Tausendpunkt Seestern (Formia milleporella), Ghardaqua Seestern (Formia ghardaquana) oder Nardoa galatheae (Galathea Seestern) zufüttern. Zum Glück verschmähen sie aber meinen orange-roten Schlangenstern (Ophioderma) aus der Karibik.

Alpheus sp.
(Knallkrebs)

Er ist bei mir für die Geräuschkulisse in Aquarium verantwortlich. Spaß bei Seite, er knallt wirklich, als ob er eine Pistole hätte. Man bezeichnet ihn deshalb auch oft als Pistolenkrebs.
Anfänglich bin ich so manches mal erschrocken aufgesprungen und zum Aquarium geeilt, da ich glaubte eine Scheibe sei zersprungen. Dieses harte Knall- oder Knackgeräusch, daß dem Zerbrechen von Glas gleicht, kann er durch Öffnen oder Schließen seiner größeren Scheren erzeugen, in dem er einen scharfen Wasserstrahl hinausschießt. Diesen Vorgang benützt er um Fischbrut oder Babygarnelen kurzzeitig vor Schreck zu lähmen, um dann leichte Beute zu machen. Er ist auch verantwortlich dafür, daß gelegentlich mein Synchoropus splendidus (Mandarinfisch) oder mein Mirakelbarsch (Calloplesiops altivelis) ein kirschkerngroßes Loch in der Schwanzflosse aufweist.

                                                    Paguristes cadenati
                                   (Weinroter Einsiedlerkrebs)


Ich bezeichne diese Krebse als meine "Korallengärtner". Sie sind ständig wie fleißige Ameisen beschäftigt, jegliche Algen vom Riffgestein abzuraspeln. Diese unruhigen Geister gibt es in den verschiedensten Farben, knallrot der Paguristes cadenati aus der Karibik oder Calcinus laevimanus mit seinen leuchtend hellblauen Augen oder seine Kollegen mit blau-rot geringelten Beinen, dessen genaue Artbestimmung mir nicht bekannt ist. Der größte meiner Einsiedlerkrebse ist ein Pagurus sp. mit braungestreiften Beinen. Über ihn kann ich eine nette Anekdote berichten. Von einem meiner Tauchurlaube habe ich einige leere Schneckengehäuse mitgebracht, da ich weiß, daß es wichtig ist, meinen kleinen Krabblern immer wieder ein neues größeres Zuhause zu bieten. Staunend sah ich zu, wie er öfter einmal an einem der ihm angebotenen Gehäuse stehen blieb und Paßversuche unternahm. Mit welcher Geschwindigkeit er seinen nackten Hintern von einem Häuschen in das andere steckte, war schon erstaunlich. Das Problem war nur, daß das neue Haus drei Nummern zu groß war. In den darauffolgenden Tagen sah man ihn manchmal im alten kleineren Häuschen, dann aber wieder im neuen, noch zu großen Haus. Dieses Spielchen dauerte mehrere Tage.
Er konnte einem richtig leid tun, denn das neue Haus fiel ihm immer wieder über den Kopf, so als würde man einem kleinen Jungen einen Stahlhelm aufsetzen, der ihm ständig aufs Nasenbein rutscht.
Aber das konnte ihn nicht entmutigen. Am nächsten Tag glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Er hatte sich mit Hilfe seiner kräftigen Scheren einfach ein Dreieck herausgezwickt und konnte nun wie aus einer Schießscharte herausblicken.
Recht intelligent von einem so kleinen Gesellen. Das sind die Momente, die einen geduldigen Beobachter am Meerwasser-Aquarium immer wieder aufs neue faszinieren.

Heute weiß ich, meine große Leidenschaft gehört den Garnelen und Krebsen, ein Riff-Aquarium ohne sie wäre für mich wie eine Suppe ohne Salz.
PS: Vielleicht liegt es auch daran, daß ich von Sternzeichen her "Krebs" bin.

aus "Aquarium heute" 2/96 Seite 313 ff.
Mit freundlicher Genehmigung des AQUADOKUMENTA Verlags.

 

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